Warum eigentlich nicht?
Die Ausbildung hat uns Anwärter(innen) wirklich gut auf die Prüfung vorbereitet. Excellente Dozentinnen, fundiertes Fachwissen, Umsetzung in der Praxis… Na, dann dürfte die Prüfung doch kein Problem sein.
Wow! Das sind dann doch ganz schön viele Ordner und Bücher die noch gewälzt werden möchten. Wie ich das geschafft hab? Ich ließ die Ordner und Bücher einfach stehen – ich ignorierte sie erfolgreich. Doch was es mir gab war: über Monate schlechtes Gewissen und Bauchschmerzen.
Warum? Da gab es eine Stimme in mir, die mir ziemlich deutlich zu verstehen gabt, das ich definitiv zum dumm bin: Wann sollst Du das alles lernen?! Am Besten noch „auswendig“. Wie willst gerade Du das schaffen? Brech das ab, das kannst Du eh nicht! So was „großes“ hast Du bisher noch nie geschafft, wieso gerade jetzt?! Was ist wenn Du dann nicht bestehst, dann bist Du der Verlierer. Was sollen da die Anderen von Dir denken? Komm´, schmeiß´ es hin!
Aber es gab noch eine weitere Stimme in mir. Die Stimme war vielleicht ehrlicher als die Erste, versteckte sich nur hinter der Ersten. Alleine konnte ich sie nicht wirklich hören, es hat mich ein paar Therapiestunden gekostet um sie zu verstehen: Hm, kann schon sein das Du die Prüfung bestehst. Aber was ist dann? Fühlst Du Dich wirklich bereit dafür? Dann musst Du los legen. Es gibt keine Ausreden mehr. Aber es ist doch Dein Traumberuf? Was ist wenn sich das nicht bewahrheitet? Kann man Dich denn wirklich auf die Menschheit loslassen? Was erwartet Dich denn eigentlich? Wie wirst Du mit all dem zurecht kommen? Ich denke das Risiko ist groß und es wird Dich ziemlich viel Energie kosten. Überlege Dir gut ob Du es nicht lieber sein lässt!
Puh. Wow! Es ist wirklich mehr als spannend, was da so in mir kämpft. Aber was bringt mir das jetzt? Also ging ich weiter zu meiner Therapeutin um meine Fragen zu bearbeiten, um mir klar darüber zu werden was ich wirklich will.
Es stellte sich heraus, der größte Teil der Arbeit besteht daraus mein Selbstwertgefühl aufzubauen: Warum halte ich so wenig von mir? Warum denke ich zum Einen das „ich“ die Prüfung nicht bestehe, und weitergehend, warum „ich“ nicht gut genug für diese Arbeit sein könnte. Wo kommt es her, was hat es mit mir in der Vergangenheit gemacht, wie wirkt es sich jetzt auf mein Gefühl aus… Das waren die Fragen die ich mir stellte. Nicht auf jede Frage bekam ich eine Antwort – viel besser – ich fand einen Lösungsweg.
Ich ließ zwar den erst möglichen Prüfungstermin verstreichen, um an mir zu arbeiten. Und tatsächlich, auf ein Mal konnte ich mich an den Schreibtisch setzen und lernen.
Es kam wie von ganz alleine. Und ich konnte auch nicht sagen welche Frage, Aussage, Erkenntnis mich dort hin gebracht hat.
Und wie ich lernte, als wollte ich es meinen innerern Kritikern beweisen. Und es hat mir richtig Spaß gemacht. Sicherlich war es oft quälend mich an den Schreibtisch zu setzen anstatt private Termine wahrzunehmen oder einfach nichts zu tun. Aber, das Gefühl immer mehr Wissen aufzunehmen, voranzukommen mit dem Pensum das ich vor mir hatte, zu sehen wie der Stapel immer kleiner wurde. Das war ein total befriedigendes und erfüllendes Gefühl.
So kam ich problemlos durch die schriftliche Prüfung. Ja, das war ein Erfolgserlebnis und ich war überaus stolz auf mich (auch wenn ich mich nicht traute das so zuzugeben).
Nur, der harte Teil stand noch an. Die mündliche Prüfung. Ich war noch nie ein Fan von mündlichen Prüfungen, Referaten, Bewerbungsgesprächen und Co. Schon ohne viel über den Ablauf zu wissen war das die Horrorvorstellung schlecht hin. Überall kann man nachlesen, wie schwer und undurchsichtig diese mündliche Prüfung sein kann. Als Anwärter für den Heilpraktiker für Psychotherapie muss man sich gegen einige Vorurteile behaupten. Fix und fertig von sämtlichen Erfahrungsberichten die ich mir natürlich täglich über Internet und Co. Einflößte, setzte ich mich wieder an die Bücher, nahm Nachhilfe, stellte mit Freunden und Kolleginnen die schlimmsten Prüfungszenarien nach.
Der Tag der Wahrheit kam. Ich wartete vor dem Prüfungsraum bis ich an der Reihe war. Das Erstaunlichste, ich war zwar nervös, aber es hielt sich im Rahmen. Ich spürte sehr wohl das ich wirklich gut vorbereitet war, und mich damit relativ sicher fühlte. Auch als ich dann an den runden Tisch gebeten wurde (3 Prüfer mit großen Augen vor mir) ging es mir recht gut. Ich sagte vorab gleich in die Runde, das ich sehr aufgeregt bin, das es mir in ähnlichen Situationen einfach so geht, und das ich mich sicherlich gleich fangen werde. Die Runde war wohlwollend und verständnisvoll. Trotzdem legten sie natürlich mit ihren Fragen los. Ich konnte gut beantworten und reagieren und merkte das ich dadurch immer ruhiger und sicherer wurde. Geschafft. Die Herrschaften gratulierten mir und gaben mir tolle Rückmeldungen.
Erhobenen Hauptes verließ ich diese „Hölle“, die gar Keine mehr war – im Gegenteil.
Ich konnte mein Hochgefühl auch wirklich noch eine lange Zeit bewahren. Auch heute freue ich mich noch riesig über diesen Erfolg. Zum Einen über mein Ergebnis, zum Anderen aber auch über das was ich geleistet habe. All das was ich investiert habe. Zeit, Geld, Nerven, Energie… für mich waren das harte Monate die sich aber überaus gelohnt und ausgezahlt haben!
Dieses Ereignis hat mich in meinem Selbstwert extrem gestärkt. Heute komme ich gelassener durch „mündliche Prüfungen“ und ähnliche Situationen. Ich weiß jetzt das ich was kann, spätestens wenn ich mich gut vorbereite, und das ich auch in der Lage bin dies zu vermitteln.
Unterm Strich, für mich das lohnenste Selbstbewusstseinstraining : )
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